Wenn Kinder lügen ist das für Eltern erst einmal etwas Schlimmes. Sie haben Angst, in der Erziehung etwas falsch gemacht zu haben und fragen sich, welche Strafen sie einsetzen sollen, damit das Kind versteht, dass man nicht lügen darf.
Schon in den 10 Geboten steht: du sollst nicht lügen. Unsere Gesellschaft funktioniert am besten, wenn man sich aufeinander verlassen kann, ein Wort zählt und wenn man den Aussagen der anderen vertrauen kann. Leider ist das heute nicht mehr ganz so schön, wie früher. Viele Branchen haben unser Vertrauen verloren. Ich denke dabei spontan an die Gebrauchtwagenhändler. Aber auch Begriffe wie Mogelpackungen, Lügenpresse, Salamitaktik und Guttenberg fallen uns dazu schnell ein.
Kinder sollen nicht lügen?
Vertrauen ist ein Gut, dass man schnell verliert und sehr schwer nur zurückgewinnen kann. Daher ist es umso wichtiger, unseren Kindern den Wert der Wahrheit zu vermitteln.
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, heißt es so schön. Tatsächlich messen wir den Wert der Aussagen eines Menschen daran, wie sehr wir ihm vertrauen.
Aber mal ganz ehrlich, liebe Eltern, wir lügen doch alle. Es sind vor allem kleine Lügen, die uns im Alltag das Leben leichter machen. Mal lügen wir, weil wir um eine Diskussion oder einem Streit herumkommen wollen. Das anderes Mal lügen wir, weil wir uns dadurch einen Vorteil erhoffen, jemanden nicht mit der Wahrheit verletzen wollen oder einfach mal zu faul sind, irgendetwas zu tun.
Warum lügen Kinder?
Wenn wir diese Gründe für Lügen mal genauer analysieren, stellen wir fest, dass es immer darum geht, den leichteren Weg zu gehen.
Und jetzt kommt die entscheidende Information: Der Mensch ist seit der Steinzeit auf Effektivität gepolt. Diese Effizienz sicherte unser Überleben und unsere Fortpflanzung seit Jahrtausenden.
Wäre der Steinzeitmensch mehr gerannt, als er müsste oder würde er seine Nahrung nicht so effizient verwerten, wäre er längst ausgestorben.
Aber nicht nur das sind die Gründe für unser Überleben. Bleiben wir noch kurz beim Steinzeitmenschen: Er konnte nur in Gruppen überleben, denn wir Menschen sind soziale Wesen. Wir brauchen andere Menschen. Wir brauchen soziale Bindungen. Um nicht von einer Gruppe ausgeschlossen zu werden, benötigt man einerseits ihr Vertrauen, aber andererseits muss man manchmal die Wahrheit etwas verdrehen oder bestenfalls verschweigen, damit man nicht aneckt.
Ein Kind das nicht lügt, gibt es nicht. Das ist auch gut so!
Stellen wir uns mal einen Menschen vor, der immer, wirklich immer die Wahrheit sagen würde. Ich glaube, er wäre schnell ein Außenseiter. So ein Mensch würde beispielsweise seiner Angebeteten auf die Frage, ob sie gut aussehen würde, obwohl sie stark erkältet ist, die nackte Wahrheit ins Gesicht sagen. Er würde auch vor seinem Chef kein Blatt vor den Mund nehmen.
Fakt ist: als soziale Wesen müssen wir manchmal lügen. Und als überlebensfähiger Mensch müssen wir effizient handeln können.
Kinder lügen in der Schule
Ich bin Lehrerin in einer Realschule und unterrichte Fünft- bis Zehntklässler. Manchmal kommt es vor, dass ich eine (ich nenne sie immer) Übermama in der Sprechstunde sitzen habe, die während des Gespräches über ihren Sprössling steif und fest behauptet: Mein Kind lügt nicht!
Ich sage dann immer: Dann ist ihr Kind wohl nicht intelligent, falls das stimmt.
Was tun, wenn das Kind beim Lügen erwischt wird?
Falls ihr euer Kind mal wieder beim Lügen erwischt, dann solltet ihr euch bitte nicht schlecht fühlen und verzweifeln. Euer Kind übt und lernt einfach ein sozialer und effizienter Mensch zu werden.
Allerdings solltet ihr eurem Kind das nicht auf die Nase binden. Auf eine Lüge sollte immer eine erzieherische Intervention folgen. Denn das gehört auch zum Lernen dazu. Euer Kind muss auch lernen, dass man mit einer Lüge Vertrauen zerstören kann und den sozialen Ausschluss aus einer Gruppe provozieren könnte.
Wird man bei einer Lüge erwischt ist das nicht nur sehr peinlich, sondern vor allem besteht die Gefahr von einer Gruppe ausgeschlossen zu werden. Das ist ein schmaler Grat, den jedes Kind lernen muss zu gehen.
Wie reagiert man, wenn das Kind lügt?
Dabei wird eurem Kind dieser Hinweis sicher helfen. Meinen Schülern wurde dadurch jedenfalls vieles klarer.
Sage deinem Kind, dass man jeder Situation im Leben in zwei Kategorien unterteilen kann:
Wenn es eine Situation ist, in der es den leichten und den komplizierten Weg gibt, dann kannst du auch den leichten Weg gehen.
Ist es allerdings eine Situation in der es den leichten und den RICHTIGEN Weg gibt, dann nehme immer den richtigen Weg.
Dann geht mit dem Kind einige Situationen beispielhaft durch, die in letzter Zeit geschehen sind.
Zum Beispiel:
„Du hast gestern Mama angelogen, weil du die Vase zerbrochen hast. Der leichte Weg ist, zu leugnen oder jemand anderem die Schuld zu geben. Der richtige Weg ist, Verantwortung zu übernehmen und sich zu entschuldigen.“
„Du hast letzte Woche deiner Freundin gesagt, du kannst nicht zum Spielen kommen, weil du nicht darfst. Das war gelogen, weil du sie im Moment nicht magst. Ich verstehe, dass du gelogen hast, um sie nicht zu verletzen. Aber bedenke, dass du jede Lüge gut mit deinem Gewissen überprüfen solltest. Eine Lüge darf niemals einer anderen Person schaden.“
Dabei ist es egal ob euer Kind aus Angst, Faulheit oder Aufmerksamkeit lügt, ob es wegen der Hausaufgaben lügt, ob es den Lehrer oder die Eltern anlügt, in welchem Alter es lügt oder ob es dauernd lügt. Liebe Eltern, verzweifelt nicht. Bleibt aber konsequent und besprecht jede Lüge mit eurem Kind. Ja, auch die hundertste Lüge.
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