Klavierunterricht, Ballett, musikalische Früherziehung, Judo, Chinesisch lernen für Kindergartenkinder, Bilinguale Kita und und und….
Das Angebot zur Förderung bzw. Überforderung des Nachwuchses ist scheinbar unendlich groß. Von den Eltern gut gemeinte Erwartungen an das eigene Kind, enden nicht selten in Druck und Freizeitstress. Das eigene Kind soll unbedingt Abitur machen, studieren und Arzt werden.
Die Erwartungen, die die Eltern an ihre Kinder haben, sind oft völlig an den eigentlichen Talenten der Kinder vorbeigeplant und spiegeln häufig nur die Wünsche und Sehnsüchte der Eltern wider, die sie sich selbst für ihr Leben erhofft hatten.
Erwartungen der Eltern: Kinder sollen ihre Talente entfalten
Das alles wollten mein Mann und ich gerade nicht für unsere kleine Luisa. Am Tag ihrer Geburt hielt ich unser kleines Wunder in den Armen und sagte zu meinem Mann, dass ich mir für ihr Leben wünsche, dass sie werden kann, was sie möchte. Wir gaben ihr an diesem Tag ein Versprechen: Sie soll ihre gottgegebenen Talente und Fähigkeiten entfalten und nicht unter unseren Erwartungen ersticken. Wenn sie eher für die Realschule als für das Gymnasium geeignet sein wird, dann werden wir ihr keinen unnötigen Druck machen. Auch wenn sie lieber Fußball spielen will, als in den Ballettunterricht zu gehen, soll es uns Recht sein. Selbst wenn sie eine große Leidenschaft für den Metzgerberuf entwickeln sollte, statt Anwältin zu werden, werden wir sie dabei unterstützen und stolz auf sie sein. Wir werden unser Kind immer so lieben, wie es ist, es nie verbiegen und nie abschätzig über ihren Traumberuf reden.
Alle Eltern haben Erwartungen
Nach einer Weile sah ich meinem Mann an und flüsterte verschwörerisch: „Aber was ich gar nicht gut fände ist, wenn sie Modell oder irgendwas in der Showbranche werden wollen würde.“ „Ja, schrecklich!“, stimmte mein Mann mir sofort zu „Sie soll nicht in dieser oberflächlichen Welt mit den gescheiterten, geltungsbedürftigen Existenzen und Drogen verkehren.“ Er zählte alle unsere Vorurteile gegen diese Berufsgruppe auf.
Wir waren uns einig, dass sie einen Beruf ergreifen sollte, der sie nicht auf Äußerlichkeiten reduziert.
Wieder betrachteten wir lange unsere kleine Tochter. „Und welches Hobby fändest du schlimm, wenn sie es ausüben würde?“, fragte ich nach einiger Zeit meinen Mann. Er überlegte kurz und antwortete verschmitzt: „Nervig wäre, wenn sie unbedingt Violine spielen wollen würde. Den ganzen Tag würde sie laut und schief üben und wir hätten schreckliche Kopfschmerzen.“ Darüber mussten wir herzhaft lachen. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass sie jemals ein Instrument erlernen wollen würde.
Erwartungen der Eltern: Die Erwartungen an die eigenen Kinder spiegeln wider, was man sich für sein eigenes Leben gewünscht hätte
Ich muss dazu erwähnen, dass weder ich noch mein Mann besonders musikalisch sind. Für mich kann ich sogar noch etwas weitergehen. Ich sage das nicht laut und kaum jemand weiß es, aber ich muss gestehen, ich mag Musik nicht besonders. Ich höre sie nicht zu Hause noch im Auto. Ich hasse singen und meistens bin ich von Musik genervt. Vielleicht hat das etwas damit zu tun, dass ich Lehrerin bin und den halben Arbeitstag lautes Durcheinander erlebe.
Möglicherweise auch, weil mein Vater in meiner Kindheit unbedingt wollte, dass ich ein Instrument erlernen sollte. (Dies ist natürlich eine ehrenwerte Absicht und zeigt, wie viel Mühe sich meine Eltern gaben, mir möglichst viele Angebote zu machen.) Erst bekam ich Klavierunterricht. Ich war so untalentiert, dass ich irgendwann Einzelunterricht erhielt. Als ich damit endlich aufhören durfte, probierten es meine Eltern bei mir mit Gitarrenunterricht. Während auch hier klar wurde, dass ich dafür talentfrei war, versuchten es meine Eltern noch mit der Blockflöte. Wäre ich nicht zu alt gewesen, wäre wohl das nächst leichtere Instrument auf der Liste die Triangel. Aber nach dem Scheitern des Blockflötens gab mein Vater auf und ich konnte endlich die Hobbys ausüben für die ich mich auch begeisterte: Ballett, Malen und Zeichnen.
Meine Eltern hatten dabei für mich nur die allerbesten Absichten, aber für mich passte der musikalische Weg überhaupt nicht.
Liebe Eltern, schon früh zeigt sich woran eure Kinder Interesse haben. Mit ein wenig Beobachtungsgabe und noch ganz viel mehr Offenheit, kann man gut erkennen, welche Hobbys und Beschäftigungen eurem Kind Freude machen werden. Vielleicht ist es nicht das, was ihr euch für euer Kind gewünscht hättet, aber es geht hier nicht um euch.
Dieses Reinzwingen in ein Hobby, dass einem nicht entspricht, will ich meinem Kind unbedingt ersparen.
Erwartungen der Eltern: Früh zeigt sich, woran Kinder Interesse haben
Wieder zurück zu unserer Tochter: Wie alle frisch gebackenen Eltern fotografierten wir unsere Kleine täglich gefühlte tausendmal in allen möglichen Lagen und Situationen. Einige Wochen nach ihrer Geburt fiel uns auf, dass Luisa immer direkt in die Kamera sah, wenn sie fotografiert wurde. Und ich meine wirklich IMMER. Als sie langsam lernte zu lächeln, beobachteten wir, dass sie, sobald die Kamera auf sie gerichtet war, ihr schönstes Lächeln aufsetzte. Dabei war es egal, ob es die Spiegelreflexkamera oder das Smartphone war. Wir haben ungelogen fast nur Fotos auf der Luisa lacht. Es ging sogar so weit, dass wir kleine Filme von ihr aufnahmen, für die ich mein Handy neben mein Gesicht hielt und sie ständig aufforderte, die Mama anzusehen, aber sie ihren Blick nie von meinem Handy lies – und natürlich charmant in die Kamera lächelte.
Dies und die Tatsache, dass sie schon seit der Geburt sehr groß für ihr Alter war und ist und auffallend hübsch ist (aus unserer Sicht), ließ uns langsam erkennen, dass sie vielleicht gerne Fotomodell werden wollen könnte. Irgendwie scheint ihr das zu gefallen.
Erwartungen der Eltern: In Kindern schlummern ungeahnte Fähigkeiten
Seit zwei Wochen spiele ich ihr vor dem Schlafengehen jeweils ein Gute-Nacht-Lied von YouTube vor. Dass Luisa sehr gerne Musik hört, habe ich schon längst akzeptiert, aber neulich fiel mir etwas Furchtbares auf: Immer wenn eine Violine spielt, strahlt sie über das ganze Gesicht und wurde ganz aufgeregt. Um dem auf den Grund zu gehen, suchte ich auf YouTube nach einem Solo einer Violine und spielte es ihr vor. Seufzend beobachtete ich mein überglücklich strampelndes Kind, dass sich gar nicht mehr vor Freude über das Lied beruhigen konnte. Genau das, worüber wir noch am Tag ihrer Geburt scherzten, tritt nun ein. Luisa liebt die Violine.
Ich möchte sie darin unterstützen, was ihr wirklich Freude macht. Ich habe zwar gehofft, dass das nichts mit Musik zu tun hat, aber da muss ich nun leider durch.
Also komme ich nicht drum herum, sie zur Musikgruppe für Babys im Alter von drei bis sechs Monate anzumelden. Ich hoffe, ich muss dort nicht so viel singen.
Erwartungen der Eltern: Das Versprechen an die Kinder
Das Versprechen, dass wir ihr am Tag der Geburt gaben, gilt nun mal auch für die Dinge, die uns vielleicht nicht besonders Spaß machen. Vermutlich werden wir ihr eines Tages eine Violine kaufen müssen, mit der sie dann den ganzen Tag laut und schief übt. Wir werden das ertragen, weil es etwas sein wird, was sie liebt. Wer weiß, vielleicht wird auch nicht die Violine zu ihrer Leidenschaft werden, sondern etwas ganz Anderes.
Egal was es sein wird, mein kleiner Schatz, wir werden dich dabei unterstützen. Mama und Papa sind sehr stolz auf dich.